• Die Symptome der Borderline Störung #4
    Oct 10 2025

    In dieser Folge von Erzähl mal setzen wir unsere Reihe zur Borderline-Störung fort – diesmal mit einem Blick auf zwei Symptome, die häufig missverstanden werden, aber entscheidend zum Verständnis des Krankheitsbildes beitragen: Dissoziation und psychosenahe Erlebensweisen. Beide Phänomene zeigen, wie tief die frühe strukturelle Störung in Wahrnehmung, Beziehung und Selbstempfinden eingreift.

    Wir beginnen mit der Dissoziation – einer frühen, unbewussten Schutzreaktion des Nervensystems. Wenn Gefühle wie Angst, Wut oder Scham so intensiv werden, dass sie nicht mehr aushaltbar sind, „schaltet“ der Körper auf Notbetrieb. Die Betroffenen wirken dann wie „weggebeamt“: Blick starr, Pupillen weit, kaum Ansprechbarkeit. Das Gehirn trennt das emotionale Erleben vom Hier und Jetzt, um Überwältigung zu vermeiden. Diese Form des inneren Rückzugs schützt kurzfristig, führt aber langfristig zu Isolation, Entfremdung und dem Gefühl innerer Leere.

    Um der Leere zu entkommen, werden häufig starke Reize gesucht: Selbstverletzung, Substanzkonsum, provokative Konflikte oder riskantes Verhalten. Paradox, aber funktional – denn Schmerz, Streit oder Gefahr schaffen wenigstens das Gefühl, etwas zu spüren. Dissoziation wird so zu einem Teufelskreis: Sie schützt vor Überflutung, verstärkt aber die Trennung von sich selbst und anderen.

    Ein zweites zentrales Thema dieser Episode sind psychosenahe Symptome. Wenn die Ich-Struktur – also das innere Gerüst, das zwischen „Ich“ und „Du“, zwischen innen und außen unterscheidet – nicht stabil ausgebildet ist, kann es zu Phänomenen kommen, die an Psychosen erinnern: Misstrauen, paranoide Gedanken („Die reden über mich“, „Die wollen mir etwas“), übersteigerte Selbstbezüge oder kurzzeitige Sinnestäuschungen wie Stimmenhören oder das Gefühl, berührt zu werden. Diese Symptome entstehen nicht aus Wahn, sondern aus der Durchlässigkeit der Ich-Grenzen – dem Verlust der inneren Dichte, die normalerweise Sicherheit und Realitätsgefühl vermittelt.

    Oft bestehen dabei Überlappungen zwischen Borderline-Störung und Traumafolgestörungen. Dissoziation ist auch bei Traumatisierungen ein zentrales Symptom, und viele Menschen mit Borderline-Struktur haben zusätzlich traumatische Erfahrungen gemacht. Das erschwert die Behandlung, weil Trauma- und Beziehungsthemen sich gegenseitig triggern: Sobald Nähe entsteht, tauchen Erinnerungen auf; sobald man Distanz schafft, kehrt die Leere zurück. Therapie bedeutet hier, Balance zu lernen – zwischen Fühlen und Aushalten, Nähe und Schutz.

    Trotz der Komplexität endet diese Folge mit einer wichtigen Botschaft: Die Prognose hat sich verbessert. Durch spezialisierte Therapieformen, besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und tragfähige therapeutische Beziehungen ist heute deutlich mehr möglich als noch vor wenigen Jahrzehnten.

    Wir laden euch ein, mitzudenken, zu hinterfragen und mitzuschreiben. Welche Beschreibungen helfen beim Verstehen, wo bleibt Unklarheit? Schickt uns eure Fragen und Erfahrungen – denn: Vor jedem „Erzähl mal“ steht ein „Ich hör mal“.

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    11 mins
  • Die Symptome der Borderline Störung #3
    Sep 29 2025

    In dieser Folge des Erzähl mal Podcasts setzen wir die Auseinandersetzung mit den Symptomen der Borderline-Persönlichkeitsstörung fort und widmen uns einem besonders schwierigen, aber zentralen Themenfeld: den sogenannten primitiven Abwehrmechanismen. Diese Mechanismen sind keine bewussten Strategien, sondern unbewusste Schutzfunktionen, die dann zum Einsatz kommen, wenn eine stabile psychische Struktur im Laufe der frühen Entwicklung nicht entstehen konnte.

    Im Mittelpunkt stehen drei Phänomene:

    Spaltung: Gefühle und Wahrnehmungen, die eigentlich nebeneinander bestehen könnten, werden als unvereinbar erlebt. Eine Person ist entweder „ganz gut“ oder „ganz schlecht“ – ein differenziertes, ambivalentes Bild ist kaum möglich. Das kann nicht nur das Selbstbild der Betroffenen destabilisieren, sondern auch Beziehungen und sogar ganze Teams spalten. Von außen wirkt das oft wie eine bewusste Manipulation, tatsächlich handelt es sich jedoch um ein unwillkürliches, tief verankertes Muster.

    Projektion: Innere Zustände wie Angst oder Wut lassen sich nicht halten und werden anderen zugeschrieben. „Der andere ist wütend auf mich“ – obwohl es die eigene, nicht regulierte Wut ist. Dieses Phänomen kann so stark sein, dass die angesprochene Person selbst in den Sog gerät und tatsächlich wütend reagiert. Projektion schafft damit kurzfristig Entlastung, destabilisiert aber langfristig Beziehungen.

    Verleugnung: Eine Realität, die zu schmerzhaft oder bedrohlich wäre, wird innerlich „weggeschoben“. Gefühle oder Tatsachen, die schwer auszuhalten sind, existieren im Erleben nicht. Das kann kurzfristig schützen, führt aber dazu, dass notwendige Auseinandersetzungen und Verarbeitung blockiert werden.

    Therapeutisch ist wichtig: Diese Mechanismen sind nicht „falsch“, sondern Überlebensstrategien. Sie zeigen an, wo das Nervensystem überfordert ist und wo differenzierende Fähigkeiten erst Schritt für Schritt erarbeitet werden müssen. Psychoedukation, klare Strukturen, sichere Bindungserfahrungen und die Möglichkeit, Gefühle zu benennen und zu halten, bilden hier zentrale Bausteine.

    Unser Anliegen bleibt: Verständnis fördern statt zu verurteilen. Was von außen widersprüchlich oder „irrational“ erscheint, ist im Erleben der Betroffenen ein ernsthafter Versuch, mit überwältigenden inneren Zuständen umzugehen.

    Wir laden euch ein, mitzudenken und mitzuteilen: Welche Beschreibungen passen, wo braucht es Ergänzungen oder Korrekturen? Schreibt uns gerne eure Gedanken – denn bevor jemand „Erzähl mal“ sagt, braucht es ein aufmerksames „Ich hör mal“.

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    12 mins
  • Die Symptome der Borderline Störung #2
    Sep 17 2025

    In dieser Folge vertiefen wir zentrale Symptome der Borderline-Störung und ordnen sie alltagsnah ein. Ausgangspunkt ist eine unbequeme, aber wichtige Annahme: Frühe Resonanzdefizite – also eine unzureichende emotionale Antwort auf die Signale des Säuglings in den ersten Lebensmonaten – können die Grundlage einer „frühen strukturellen Störung“ bilden. Das anzusprechen ist sensibel, weil schnell Schuld- und Schamgefühle auftauchen. Unser Ziel ist kein Fingerzeig, sondern Verstehen: Zusammenhänge sichtbar machen, damit Behandlung zielgerichteter werden kann.

    Wir knüpfen an das Bild des „Säuglings-Nervenkostüms“ an: Kognitiv und körperlich längst jugendlich oder erwachsen – aber in zentralen Bereichen der Emotions- und Impulsregulation noch ohne stabile Selbstberuhigung und Affektdifferenzierung. Das erklärt, warum manche Gefühle nicht „ein Teil des Erlebens“, sondern „alles“ werden: Angst, Wut – und die schwer auszuhaltende innere Leere.

    Im Fokus dieser Episode stehen drei Phänomene:

    • Überlebensangst & Verlassenwerden: Für den Säugling bedeutet Alleinsein potentiell Lebensgefahr. Wenn dieses Muster fortwirkt, wird Nähe zwar ersehnt, aber kaum genossen – denn parallel meldet sich die Erwartung des Verlusts. Daraus entstehen paradoxe Strategien: lieber „vorwegnehmen“ und Beziehungen abbrechen, als das drohende Verlassenwerden auszuhalten.

    • Fehlende Objektkonstanz: Wer emotional gebunden ist, „hat“ die andere Person innerlich – auch wenn sie physisch abwesend ist. Fällt diese Fähigkeit weg, fühlt sich Abwesenheit wie Verschwinden an. In Kombination mit Verlustangst verstärkt das heftige Beziehungsschwankungen und Selbstzweifel.

    • Innere Leere & Affektdifferenzierung: Wenn ein stabiles Bild von sich selbst (Vorlieben, Werte, Körperlichkeit, Sexualität, Orientierung) nicht entstehen konnte, bleibt oft ein Vakuum zurück. Viele Betroffene beschreiben das als quälende Leere, die mit intensiven äußeren Reizen „überstimmt“ werden soll – bis hin zu Selbstverletzung oder suizidalen Impulsen. Von außen wirkt das irrational; im Erleben ist es der Versuch, überhaupt etwas zu spüren oder Kontrolle zurückzugewinnen.

    Therapeutisch bedeutet das: Psychoedukation und Affektarbeit (Gefühle benennen, unterscheiden, an Auslöser binden) sind keine Nebensache, sondern Grundpfeiler. Ebenso wichtig sind beziehungs- und stabilitätsfördernde Rahmenbedingungen, die Nähe ermöglichen, ohne zu überfluten – denn „mehr Liebe“ allein ist keine Lösung, wenn das Nervensystem mit Intensität (auch positiver) überfordert ist.

    Wir laden euch ein, mitzudenken und mitzufühlen: Welche Beschreibungen passen, wo braucht es Korrektur oder Ergänzung? Teilt eure Fragen und Erfahrungen gern in den Kommentaren – denn: Vor jedem „Erzähl mal“ kommt ein „Ich hör mal“.

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    11 mins
  • Frühe Resonanz und das Risiko einer Borderline-Störung
    Sep 14 2025

    Wie entsteht eine Borderline-Störung – und warum spielen die ersten 20 bis 24 Lebensmonate eine so entscheidende Rolle?
    In dieser Episode von Erzähl mal geht Dr. Murafi auf einen besonders sensiblen Bereich der frühen Entwicklung ein: die Bedeutung von emotionaler Resonanz zwischen Eltern und Kind – und was passiert, wenn sie ausbleibt.

    Kinder kommen physiologisch betrachtet als „Frühgeburten“ zur Welt und sind in den ersten Lebensmonaten vollständig darauf angewiesen, dass ihre Bezugspersonen ihre Signale wahrnehmen, deuten und in eine emotionale Sprache übersetzen. Diese Resonanz hilft dem Kind zu verstehen: Was fühle ich? Wer bin ich? Wie kann ich mich beruhigen?
    Doch was geschieht, wenn diese Resonanz nicht in ausreichendem Maß entsteht?

    Dr. Murafi zeigt auf, dass es nicht um Schuld geht, sondern um äußere und innere Umstände, die Eltern daran hindern können, auf ihr Kind einzugehen – zum Beispiel:

    • eine postpartale Depression, die die Feinfühligkeit und Zuwendung einschränkt,

    • schwere psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie, Suchterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen,

    • frühe körperliche Erkrankungen des Kindes selbst, die lange Krankenhausaufenthalte oder Intensivpflichtigkeit erfordern und dadurch Resonanzphasen verhindern,

    • oder auch medizinische Komplikationen wie unerkannte Hirnblutungen, die das Kind in einen reduzierten Reaktionszustand versetzen.

    Bleibt in dieser Zeit die notwendige Resonanz aus, kann das Gehirn – insbesondere der Hippocampus, eine zentrale Struktur für Emotions- und Impulsregulation – nicht ausreichend reifen. Die Folge: ein erhöhtes Risiko, dass sich eine Borderline-Störung entwickelt.

    Besonders tragisch: Diese fehlende Resonanz lässt sich später nicht nachholen. Auch gut gemeinte Versuche, „Liebe heilt alles“, können überfordernd wirken – sogar positive Zuwendung kann als Überstimulation erlebt werden und dieselben Reaktionen hervorrufen wie negative Erfahrungen: Selbstverletzung, Suizidalität oder massive emotionale Krisen.

    👉 In dieser Episode lernst du:

    • warum frühe Resonanz so grundlegend für die psychische Stabilität ist,

    • welche Risikofaktoren die Entwicklung einer Borderline-Störung begünstigen,

    • und warum Betroffene auf Beziehungsangebote oft so ambivalent reagieren.

    🎙️ Dr. Murafi erklärt, warum es so wichtig ist, diese Zusammenhänge ohne Schuldzuschreibung zu verstehen – um Betroffene nicht falsch einzuordnen, sondern fachlich fundiert und langfristig stabil begleiten zu können.

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    6 mins
  • Wie entsteht eine Borderline-Störung? Frühe Strukturen und Resonanz in der Entwicklung
    Sep 10 2025

    In dieser Episode widmen wir uns einer zentralen Frage: Wie entsteht eigentlich eine Borderline-Störung? Während der Begriff vielen geläufig ist, bleibt der Blick auf die Entstehungsbedingungen oft oberflächlich. Hier setzen wir an und geben Einblicke in die Konzepte und klinischen Erfahrungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie Walstedde.

    Borderline wird in der psychoanalytischen Tradition auch als „frühe strukturelle Störung“ beschrieben – eine Erkrankung, die tief in die Persönlichkeit eingebaut ist und ihren Ursprung in den ersten Lebensmonaten hat. Entscheidend ist dabei der Hippocampus, eine Hirnregion, die für Affekt-, Impuls- und Emotionsregulation verantwortlich ist und sich nach der Geburt über etwa 20 bis 24 Monate weiterentwickelt. Diese Phase gilt als sensibles Zeitfenster, in dem Resonanz, Bindung und soziale Interaktion von größter Bedeutung sind.

    Doch was bedeutet Resonanz? Ein Kind kommt als „physiologische Frühgeburt“ zur Welt und ist vollständig auf Versorgung, Schutz und emotionale Zuwendung angewiesen. Schreien, Lächeln oder Blicke sind unspezifische Signale, die Erwachsene deuten, übersetzen und emotional zurückspiegeln. Dieses ständige Wechselspiel – Trösten, Halten, Reagieren, Einfühlen – macht es dem Kind möglich, zu lernen: Was fühle ich? Wer bin ich? Wie kann ich mich beruhigen?

    Bleibt diese Resonanz in den ersten 24 Monaten aus, wird das Zeitfenster verpasst. Die emotionale Selbstregulation entwickelt sich nicht ausreichend, und der Mensch bleibt gleichsam im „Nervenkostüm eines Säuglings“ gefangen, auch wenn er körperlich und kognitiv heranwächst. Hier liegt der Kern dessen, was später als Borderline-Störung beschrieben wird: Instabilität, Schwierigkeiten mit Affekten und Beziehungen sowie das Gefühl, im Innersten keine stabile Identität aufbauen zu können.

    Diese Episode erklärt nicht nur die biologischen und entwicklungspsychologischen Hintergründe, sondern macht auch verständlich, warum frühe Interaktionen so prägend sind – und warum sie nicht einfach nachholbar sind.

    👉 Wir laden euch ein, mitzudenken, Fragen zu stellen und Rückmeldungen zu geben. Denn wie immer gilt: Vor jedem „Erzähl mal“ kommt ein „Ich hör mal“.

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    11 mins
  • Die Symptome der Borderline Störung #1
    Sep 3 2025

    In dieser Folge unseres Podcasts widmen wir uns den Symptomen der Borderline-Störung – und damit einem der zentralen Themen, wenn es darum geht, das Erleben und die Herausforderungen betroffener Menschen wirklich zu verstehen. Ein Begriff zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die Schilderungen: Instabilität.

    Borderline-Betroffene erleben diese Instabilität nahezu in allen Lebensbereichen:

    • Identität: Wer bin ich? Was macht mich aus? Was interessiert mich? – Diese Fragen lassen sich oft nicht stabil beantworten. Vorlieben, Interessen und Selbstbilder wechseln, ohne dass ein verlässlicher Kern entsteht.

    • Affekte und Emotionen: Gefühle schlagen schnell um und sind extrem intensiv. Wut oder Angst werden nicht als Teil des Erlebens empfunden, sondern nehmen den ganzen Menschen ein – man ist die Wut, man ist die Angst.

    • Beziehungen: Kontakte und Partnerschaften sind geprägt von Nähe-Distanz-Schwankungen. Die Angst, verlassen zu werden, führt zu On-Off-Beziehungen, zu klammerndem Verhalten oder vorsorglichem Rückzug – ein Teufelskreis, der Beziehungen enorm belastet.

    • Alltag und Lebenswege: Viele Betroffene tun sich schwer, einen stabilen Tagesrhythmus aufrechtzuerhalten oder kontinuierlich Schule, Ausbildung oder Beruf zu verfolgen. Auch Schlaf-Wach-Rhythmen sind oft gestört.

    Hinzu kommt die Dysregulation der Impulse: Starke Emotionen lassen sich schwer kontrollieren. Wut kann so überwältigend sein, dass sie in Selbstverletzungen, Suizidgedanken oder riskantem Verhalten mündet. Andere flüchten aus Situationen, obwohl sie Nähe und Bindung gleichzeitig verzweifelt suchen. Dieses ständige Schwanken zwischen gegensätzlichen Bedürfnissen verstärkt das innere Chaos.

    All das führt dazu, dass die Borderline-Störung fast alle Lebensbereiche beeinträchtigt: private Beziehungen, schulische und berufliche Entwicklung, soziale Kontakte und nicht zuletzt das Verhältnis zu sich selbst. Für Betroffene fühlt es sich häufig so an, als würde ihnen „der Boden unter den Füßen weggezogen“.

    In dieser Episode erklärt Dr. Murafi, wie sich diese Symptomvielfalt zeigt, warum sie für Betroffene und ihr Umfeld so belastend ist und weshalb es wichtig ist, genau hinzuschauen – ohne vorschnelle Urteile oder Stigmatisierungen. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis zu schaffen und Wege aufzuzeigen, wie trotz der Schwere der Erkrankung Lebensperspektiven und Stabilität entstehen können.

    Wenn ihr selbst betroffen seid, Angehörige kennt oder euch fachlich für das Thema interessiert: Hört rein, teilt eure Gedanken und Fragen und vergesst nicht – vor jedem „Erzähl mal“ kommt ein „Ich hör mal“.

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    4 mins
  • Warum eigentlich "Borderline Störung"?
    Aug 31 2025

    Die Borderline-Störung gehört zu den bekanntesten, aber auch zu den am meisten missverstandenen psychischen Erkrankungen. Sie ist Thema in Fachkreisen, in den Medien und auf Social Media – und dennoch wissen nur wenige, was der Begriff Borderline tatsächlich bedeutet und woher er stammt. In dieser ersten Folge klärt Dr. Murafi von der Klinik Walstedde genau diese Frage und legt damit den Grundstein für eine ganze Reihe rund um die Borderline-Störung.

    Viele Menschen gehen davon aus, dass der Name „Borderline“ auf das Verhalten der Betroffenen zurückzuführen sei – etwa auf das Überschreiten von Grenzen, intensive Gefühlsausbrüche, riskantes Verhalten oder instabile Beziehungen. Doch das ist ein Irrglaube. Der Begriff hat nichts mit dem individuellen Verhalten der Patientinnen und Patienten zu tun, sondern seinen Ursprung in der historischen Entwicklung der Psychiatrie.

    Dr. Murafi erklärt, wie die Psychiatrie ursprünglich zwischen zwei großen Gruppen von Erkrankungen unterschied: auf der einen Seite biologisch bedingte, hirnorganische Störungen (wie Schizophrenien oder bipolare Störungen), auf der anderen Seite die sogenannten Neurosen, also Erkrankungen, die stärker durch Lebenserfahrungen, Konflikte oder traumatische Prägungen verursacht sind. Die Borderline-Störung fand ihren Platz genau an der Schnittstelle zwischen diesen beiden Bereichen – an der „Grenze“ zwischen biologisch-psychiatrischen Erkrankungen und lebensgeschichtlich bedingten Störungen. Daher rührt der Name „Borderline“.

    Die Erkrankung ist geprägt von einem schweren Verlauf, der in seiner Intensität mit psychotischen Erkrankungen vergleichbar sein kann. Gleichzeitig ist sie aber eng mit frühen Lebenserfahrungen und Entwicklungsbedingungen verknüpft. Diese besondere Position macht die Borderline-Störung so komplex und erklärt, warum Betroffene oft mit Vorurteilen oder Missverständnissen konfrontiert sind.

    Im weiteren Verlauf dieser Folge geht Dr. Murafi auch auf die aktuellen Diagnosekriterien ein. Während die Borderline-Störung im ICD-10 noch als „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“ bzw. „Borderline-Typ“ klassifiziert ist, wird sie im ICD-11 nicht mehr in dieser Form benannt. Diese Veränderungen spiegeln den Fortschritt in der Psychiatrie wider – und zeigen, dass auch die Sprache über psychische Erkrankungen einem Wandel unterliegt.

    Für Betroffene, Angehörige und Interessierte bietet diese erste Episode einen verständlichen Einstieg in ein komplexes Thema. Sie schafft Klarheit über die Herkunft des Begriffs und räumt mit gängigen Mythen auf. Damit legt sie den Grundstein für die kommenden Folgen, in denen Symptome, Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und therapeutische Konzepte der Borderline-Störung detailliert betrachtet werden.

    👉 Eine spannende Auftaktfolge für alle, die sich informieren möchten, sei es aus persönlichem Interesse, weil sie selbst betroffen sind oder weil sie Menschen im Umfeld besser verstehen wollen.

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    5 mins