Man ist ja heutzutage schon dankbar, wenn junge Menschen etwas lesen, bei dem man nicht scrollen muss. Denn der Weg von der Lesefibel („Fu ruft tut“) bis zu den deutschen Klassikern ist kein Spaziergang, sondern ein Wüstenmarathon. Nicht alle kommen ans Ziel. Wer den Zauberberg freiwillig liest und James Joyces Ulysses zum Zeitvertreib, wer mit Wohlwollen an den Klavierunterricht zurückdenkt, der hat das Stahlbad des Bildungsbürgertums hinter sich. Aber wie führt man die Jüngsten an Bildung, an die hohe Literatur heran? Früh anfangen, niedrigschwellige Angebote – das klingt gut. Aber Vorsicht: Zu niedrig, und man landet schnell bei Rosamunde Pilcher. Beziehungsweise bei Italien-, Island- oder Ostseekrimis. Je nach Reiselust und klimatischer Vorliebe. Doch gefühlt hat inzwischen jeder Skandinavier seinen Krimi geschrieben. Der Trend? Am Abklingen. Die nordischen Schreiberlinge folgen den Gothic- und Vampirromanen – die sind ja schon lange tot. Und der aktuelle Literaturtrend? Den finden nicht nur Literaturpäpste kacke. Entschuldigung, aber diese Wortwahl ist angemessen. Denn es geht um Töpfchenbildung. Um die Vermittlung von Grundkenntnissen über das Ende des Verdauungsprozesses. Um Ausscheidung als erzählerisches Prinzip. Begonnen hat alles mit einem modernen Klassiker der Coming-of-Age-Literatur: Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Drei Millionen verkaufte Exemplare, 27 Sprachen, Merch ohne Ende, Figurentheater, Zeichentrickfilm, sogar eine Oper. Mit dieser Mischung aus Tabubruch und Detektivgeschichte wurde ein großer Haufen Geld gemacht. Und wie das so ist im Literaturbetrieb: Wo ein Haufen liegt, kommen die Nachahmer. Der Markt boomt. Hier ein unvollständiger Überblick über das aktuelle Angebot der pädagogischen Pipi-Kacka-Bücher: Nur noch ein kleiner Furz, Das Alpaka muss Kacka, und von den gleichen Autoren Das Krokodil pupst zu viel. Das Pupskonzert im Zoo ist sogar interaktiv – mit Geräuschen. Für Freunde der Industriellen Revolution: Die Kackwurstfabrik. Dazu – eventuell eher als Sekundärliteratur – Windel, Töpfchen, Klo – Wohin mit dem Popo und natürlich Wer pupst denn da. Die gibt es alle wirklich. Und noch viel mehr. Doch der neue leuchtende Star am Untenrum-Firmament ist Furzipups – der Knatterdrache. Natürlich kann man mit dem Furzipups-Plüschtier in den Schlaf kommen. Der Devotionalientisch ist reich gedeckt. So gibt es z. B. das Furzipups-Freundebuch, das jungen Beziehungen reichlich Rückenwind verleiht. Vielleicht reicht es ja für den gemeinsamen Besuch des Furzipups-Theaterstücks. Kunst kommt von Können. Gilt fürs Töpfchen und darstellende Kunst gleichermaßen. Daher ist es vollkommen unverständlich, warum es immer noch kein Musical gibt! Bisher sind drei epochale Bände erschienen. Dabei werden mit Schluckauf und Rülpsen sogar noch zwei weitere körpereigene Geräusche thematisiert. Da werden heiße Eisen angepackt. Und es klingt schön. Apropos „Klingt schön“: Gute Musik kann sehr authentisch sein. Man denkt nur an Joan Baez oder Tracy Chapman. Sängerin, Gitarre, Mikro. Fertig. Was man nicht weiß: Ob die Damen und Herren Künstler ihrem Management nicht durch allerlei Zickereien das Leben schwer machen. Nichts für ungut, Oasis, Robbie Williams und Mariah Carey. Also kann man gleich handzahme Interpreten casten. Das klappt seit Jahrzehnten ganz ausgezeichnet. Jetzt noch einen Knebelvertrag, und der ewigen Weltkarriere steht nichts mehr im Weg. Denkt man. Aber das Ende von Take That und Tic Tac Toe mahnt zur Vorsicht. Dann schon lieber gleich ganz virtuell. Klingt nach KI und Hightech, ist aber ein alter Hut. Hat sich John Kirshner schon 1968 ausgedacht: The Archies. Unbekannt? Wie wäre es mit Sugar, Sugar? Viel Spaß mit dem Ohrwurm. Dies – und vieles mehr – in der 31. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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