• UGHW: Stadt Land Fluss
    Oct 8 2025
    Manche Städte und Länder lassen sich mit nur drei Begriffen beschreiben: lustlose Kommissare, Geysir, Vulkan. Ganz klar – wir sind in Island. Und bei Regenwald, Samba, Fußball denkt jetzt niemand wirklich an Weißrussland. Diese inneren Eselsbrücken machten sich einfallsreiche Geografen zunutze und erfanden die Drei-Wort-Methode. Die Welt – aufgeteilt in 57 Billionen 3×3 m große Quadrate, jedem Viereck drei zufällige Wörter zugeteilt – ergibt das ansprechendste Navi der Welt. Ehren, greifen, aufbauen ist so ziemlich genau der Anstoßkreis in der Arena auf Schalke. Man kann über die Wörter nachdenken. Bringt aber nichts – ist Zufall. Aber manchmal haben sich die Macher einen kleinen Scherz erlaubt. prayers.bricks.spaghetti definiert den Standort der Sagrada Família in Barcelona. Das kann man vor seinem geistigen Auge sehen. Und fancy.crown.charm ist der Buckingham. Das ist ganz lustig. Und Kuriositäten sind bei nationalen Symbolen nicht so selten – zum Beispiel bei Fahnen. Die Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg hatten in den vier Jahren ihres Bestehens drei unterschiedliche Flaggen. Die Südstaaten-Fahne, die wir jetzt wieder immer häufiger sehen müssen, war jedoch nie dabei. Im Gegenteil: Der Kongress der Konföderierten lehnte den Entwurf mehrfach ab. Waffen sind ein erstaunlich beliebtes Motiv auf Flaggen. Gern genommen sind Schwerter – wie in Guatemala, Paraguay, Sri Lanka oder Saudi-Arabien. Aber mittelalterlichen Hiebwaffen sind ja eher so „Ritter“. Eine Phase, die bei Jungs ganz oft nach den Dinos und vor Paw Patrol kommt. Die Schusswaffen auf der Fahne von Haiti sind angesichts der aktuellen Situation in dem Karibikstaat dann schon eher programmatischer Natur. Und die technisch korrekte Abbildung einer Kalaschnikow auf der Fahne von Mosambik ist wohl auch keine Idee des Tourismusministers. Ganz anders: Kambodscha. Dort hat man einfach die Hauptsehenswürdigkeit Angkor Wat auf das flatternde Nationalsymbol gedruckt. Das ist clever. Man stelle sich jedoch einmal vor, die Bayern würden das auch machen. Söder isst auf Blau-Weiß. Muss nicht! Auch bei der Wahl des Hauptstadtnamens gibt es Merkwürdigkeiten. „Die gute Luft“ von Buenos Aires könnte so im Neckermann-Katalog stehen. Ob der Name des sudanesischen Khartum („Elefantenrüssel“) positiv besetzt ist, ist Geschmackssache. Völlig ratlos lässt uns das kirgisische Bischkek zurück. Es bedeutet „Rührlöffel“. „Halt!“, rufen empörte Etymologen jetzt. „Bischkek kann man auch mit Joghurtstampfer übersetzen.“ Ok, klingt schon besser. Nur mit Mühe lassen sich Grosny und Damaskus positiv deuten. Übersetzt heißen sie „Die Schreckliche“ bzw. „Ort des Blutstroms“. Hier fängt Städtemarketing bei null an. Mehr als nur einen Kick-off-Workshop weiter ist die Hauptstadt von Burkina Faso. Ouagadougou bedeutet: „Du bist willkommen bei uns.“ Klingt ein wenig nach evangelischem Kirchentag oder Penny Hamburger Straße – aber trotzdem: Dankeschön! Apropos Ouagadougou. Wir sind ja ein serviceorientierter Podcast. Daher: Ouagadougou ist ein fast unschlagbarer Tipp für das schöne Spiel Galgen bzw. Hangman. Denn trotz der zwei recht einfachen Vokale wird zumeist bis zum Strichmännchentod weiter geraten. Noch besser ist nur noch Sylt. Kein Vokal und trotzdem ganz weit oben. Die zwei Runden gehen auf uns. Dies – und vieles mehr – in der 31. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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    41 mins
  • UGHW: Was willst Du?
    Oct 4 2025
    Bei der richtigen Beantwortung dieser zumindest im Satzbau recht einfachen Frage kommt es extrem auf das Gegenüber und die Situation an. Dem/der Geliebten ins Ohr gesäuselt kann z. B. „Ein kaltes Bier“ oder auch „Dass du mich für immer liebst“ als sehr adäquat und sogar beziehungsfestigend angesehen werden. Gegenüber einer einem völlig unbekannten Kleingruppe junger, offensichtlich alkoholisierter Männer mit sichtbar getragenen Signets des rivalisierenden Fußballanbieters nach einer überraschend deutlichen Niederlage sind die beiden obigen Aussagen eventuell nicht zielführend. Im schlimmsten Fall können sie sogar als Provokation aufgefasst werden. Unangenehm. Sich dann auf das Provokationsrecht der zweiten römischen Republik zu berufen, zeugt von einem gewissen Geschichtsverständnis. Es trägt aber wohl dennoch nicht zur wünschenswerten Entspannung bei und ist – der Fachmann weiß dies nur zu gut – auch inhaltlich vollkommen falsch! Denn das Provokationsrecht ist bekanntlich das Recht eines jeden Bürgers, das Volk um Beistand anzurufen (provocare = herbeirufen, aufrufen), wenn Leib und Leben durch die Gewalt staatlicher Magistrate bedroht sind. Allerdings nur in einer Diktatur. Diese Herrschaftsform zeichnete sich durch eine konzentrierte Machtfülle auf eine Person aus, dauerte maximal sechs Monate und diente dem Schutz der Republik. Der inzwischen etwas aus der Mode gekommene Staatstheoretiker Niccolò Machiavelli bezeichnete die Diktatur sogar als wichtiges Mittel zur Verteidigung der Freiheit. Viele derer, die wir heute verschiedentlich als Diktatoren bezeichnen, wären mit der Zuschreibung als Verteidiger der Freiheit und Beschützer der Republik wohl sehr einverstanden. Und derzeit haben wir recht viele Herrschaften, deren Eigenwahrnehmung hierzu passt. Doch wie so oft stimmen Eigen- und Fremdwahrnehmung nicht immer überein. Sicher ist, dass der Titel „Diktator“ nur ganz selten auf der Visitenkarte steht. Viel lieber nennt man sich Präsident, Generalissimo oder Staatsratsvorsitzender. Kann aber alles bedeuten. Stutzig werden sollte man jedoch bei „Großer Vorsitzender“, „Bruder Nr. 1“, „König der Könige“ oder „Leuchtende Pfand der Zukunft“. Das klingt dann irgendwie nicht mehr nach Amtsverzicht am Ende der Legislaturperiode. Wie dem auch sei. Bei Staats- und Regierungschefs entscheidet die Geschichte, ob sie als Vater der Nation oder grausame Tyrannen in Erinnerung bleiben. Dabei galt lange Zeit der Grundsatz: „Wer schreibt, bleibt.“ So konnte Ramses II. sein knappes Unentschieden gegen die Hethiter via Wandrelief in einen großen Sieg umdeuten. Aber wer, der nicht dabei war, wird schon etwas gegen das in Stein gemeißelte „Auge, Schlange, Wolke, Zickzacklinie, Mann, Sonne“ sagen wollen. Caesar hat mit dem Verfassen des Bellum Gallicum die historische Deutung seines ausgedehnten Angriffskrieges gleich selbst geschrieben. Auch so etwas dürfte bei digitaler Aufzeichnungs- und Übertragungstechnik heute etwas schwerer fallen. Und ob nach Napoleon nach einer intensiven Berichterstattung über den Russlandfeldzug im Jahr 2025 immer noch ein Sekt oder ein Grill benannt würde, ist fraglich. Selbstverständlich ist für den Nachruhm ein eingängiger Name nicht ganz unwichtig. Napoleon und Caesar sind schon nicht schlecht. Aber wer wird je unvoreingenommen die Regierungszeit von Katharina der Großen oder August dem Starken bewerten können. Augusts Vorfahre Albrecht der Gebissene hat es da schon etwas schwerer. Und auch der erste karolingische König Pippin der Kleine hat gegenüber seinem Sohn Karl dem Großen imagetechnisch erhebliche Nachteile. Apropos eingängiger Name. Llanfairpwllgwyngyll ist sicher keiner. Eine walisische Ortschaft heißt tatsächlich so. Das Ortsschild ist instagrammable. Mehr in dem Ort aber nicht. Sicher ist, dass die Waliser damit auch nicht jedem hippen Trend wie NY, LA, Stuggi oder P-Berg hinterherlaufen. Und in Llanfairpwllgwyngyll essen sie natürlich auch nicht Pudding mit der Gabel. Warum auch?
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    1 hr and 18 mins
  • UGHW: Untenrum
    Sep 24 2025
    Man ist ja heutzutage schon dankbar, wenn junge Menschen etwas lesen, bei dem man nicht scrollen muss. Denn der Weg von der Lesefibel („Fu ruft tut“) bis zu den deutschen Klassikern ist kein Spaziergang, sondern ein Wüstenmarathon. Nicht alle kommen ans Ziel. Wer den Zauberberg freiwillig liest und James Joyces Ulysses zum Zeitvertreib, wer mit Wohlwollen an den Klavierunterricht zurückdenkt, der hat das Stahlbad des Bildungsbürgertums hinter sich. Aber wie führt man die Jüngsten an Bildung, an die hohe Literatur heran? Früh anfangen, niedrigschwellige Angebote – das klingt gut. Aber Vorsicht: Zu niedrig, und man landet schnell bei Rosamunde Pilcher. Beziehungsweise bei Italien-, Island- oder Ostseekrimis. Je nach Reiselust und klimatischer Vorliebe. Doch gefühlt hat inzwischen jeder Skandinavier seinen Krimi geschrieben. Der Trend? Am Abklingen. Die nordischen Schreiberlinge folgen den Gothic- und Vampirromanen – die sind ja schon lange tot. Und der aktuelle Literaturtrend? Den finden nicht nur Literaturpäpste kacke. Entschuldigung, aber diese Wortwahl ist angemessen. Denn es geht um Töpfchenbildung. Um die Vermittlung von Grundkenntnissen über das Ende des Verdauungsprozesses. Um Ausscheidung als erzählerisches Prinzip. Begonnen hat alles mit einem modernen Klassiker der Coming-of-Age-Literatur: Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Drei Millionen verkaufte Exemplare, 27 Sprachen, Merch ohne Ende, Figurentheater, Zeichentrickfilm, sogar eine Oper. Mit dieser Mischung aus Tabubruch und Detektivgeschichte wurde ein großer Haufen Geld gemacht. Und wie das so ist im Literaturbetrieb: Wo ein Haufen liegt, kommen die Nachahmer. Der Markt boomt. Hier ein unvollständiger Überblick über das aktuelle Angebot der pädagogischen Pipi-Kacka-Bücher: Nur noch ein kleiner Furz, Das Alpaka muss Kacka, und von den gleichen Autoren Das Krokodil pupst zu viel. Das Pupskonzert im Zoo ist sogar interaktiv – mit Geräuschen. Für Freunde der Industriellen Revolution: Die Kackwurstfabrik. Dazu – eventuell eher als Sekundärliteratur – Windel, Töpfchen, Klo – Wohin mit dem Popo und natürlich Wer pupst denn da. Die gibt es alle wirklich. Und noch viel mehr. Doch der neue leuchtende Star am Untenrum-Firmament ist Furzipups – der Knatterdrache. Natürlich kann man mit dem Furzipups-Plüschtier in den Schlaf kommen. Der Devotionalientisch ist reich gedeckt. So gibt es z. B. das Furzipups-Freundebuch, das jungen Beziehungen reichlich Rückenwind verleiht. Vielleicht reicht es ja für den gemeinsamen Besuch des Furzipups-Theaterstücks. Kunst kommt von Können. Gilt fürs Töpfchen und darstellende Kunst gleichermaßen. Daher ist es vollkommen unverständlich, warum es immer noch kein Musical gibt! Bisher sind drei epochale Bände erschienen. Dabei werden mit Schluckauf und Rülpsen sogar noch zwei weitere körpereigene Geräusche thematisiert. Da werden heiße Eisen angepackt. Und es klingt schön. Apropos „Klingt schön“: Gute Musik kann sehr authentisch sein. Man denkt nur an Joan Baez oder Tracy Chapman. Sängerin, Gitarre, Mikro. Fertig. Was man nicht weiß: Ob die Damen und Herren Künstler ihrem Management nicht durch allerlei Zickereien das Leben schwer machen. Nichts für ungut, Oasis, Robbie Williams und Mariah Carey. Also kann man gleich handzahme Interpreten casten. Das klappt seit Jahrzehnten ganz ausgezeichnet. Jetzt noch einen Knebelvertrag, und der ewigen Weltkarriere steht nichts mehr im Weg. Denkt man. Aber das Ende von Take That und Tic Tac Toe mahnt zur Vorsicht. Dann schon lieber gleich ganz virtuell. Klingt nach KI und Hightech, ist aber ein alter Hut. Hat sich John Kirshner schon 1968 ausgedacht: The Archies. Unbekannt? Wie wäre es mit Sugar, Sugar? Viel Spaß mit dem Ohrwurm. Dies – und vieles mehr – in der 31. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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    1 hr and 30 mins
  • UGHW: Die sind Helden
    Sep 17 2025
    Wie viele Finger braucht ein Held? Uns persönlich reichen drei – plus Daumen, also vier. Das genügt Donald Duck, Homer Simpson, Calvin (Hobbes sowieso), Garfields Herrchen Jon, Felix the Cat und Hägar dem Schrecklichen vollkommen. Figuren, die mit reduzierter Anatomie eine erstaunlich hohe Identifikationskraft entfalten. Der fünfte Finger? Ein überflüssiger Wink in Richtung Realität. Donald Duck ist zynisch, selten erfolgreich und semischlau – genau unser Typ. Homer ebenso. Und Hägar bringt es im Dialog mit Sven Glückspilz auf den Punkt: „Lass mich erzählen, du verdrehst immer alles.“ – „War nicht gar!“ So ist das Leben. Echte Comic-Welten - also die mit fünf Fingern - sind überzeichnet und gerade deshalb so zugänglich. Sie bieten einfache Orientierung in einer kitschig-dualen Welt: Helden gut, Bösewichte böse. Superman ist super. Wonder Woman und Supergirl? Noch besser und textil näher an den Bedürfnissen der jugendlichen Zielgruppe. Helden sollen einfach Helden sein. Das reicht. Ironische Helden sind meist unlustig, selten unterhaltsam. Ausnahmen bestätigen die Regel: Hancock ist cool. Deadpool leider albern. Wenn Hollywood-Popcorn, dann bitte mit Schmackes. Wer nach der nächtlichen Herr-der-Ringe-Trilogie mit „Ganz gut, aber etwas unrealistisch“ resümiert, hat das Prinzip nicht verstanden. Wenn irre, dann irre! Harry Potter, eigentlich nur Hanni und Nanni mit Zauberstab – geschenkt. Superhelden brauchen Umhang, können Fliegen und haben Röntgenblick. Zerbrechlichkeit? Schwierig. Batman? Eigentlich großartig. Bruce Wayne? Nicht immer. Kindheitstrauma durch Elternmord? Okay. Aber der Therapeut hat sicher auch nach Drehschluss noch Sprechstunde. Wir wollen den kantigen Val Kilmer – oder besser noch Adam West. Muskelfrei und trotzdem hauteng. Die visuell verstärkten Lautmalereien wie „Pow“, „Slam“ oder „Zapp“ sind wahre Poesie. Immer feste druff. Bei Roy Lichtenstein sogar echte Kunst. Wir stehen also auch intellektuell auf der richtigen Seite. Was im MoMA hängt, ist kein Schund. Ein innerlich zerrissener James Bond, der Verflossenen nachtrauert, das Töten moralisch abwägt und im Alkohol sowie Auto-Zerstören nicht den Sinn des Lebens findet? Menschlich nachvollziehbar – aber dafür haben wir uns doch nicht durch das künstlerisch sicherlich eventuell irgendwo anspruchsvolle Adele-Tina Turner- Madonna-Billy Eilish-Intro gequält. Apropos „BAAM!“ – die deutsche Sprache hat ihren Sprung in die Popkultur erst durch die Lustigen Taschenbücher geschafft. Huch! Ein klassischer Erikativ. Die langjährige Übersetzerin von Walt Disney, Dr. Erika Fuchs hat literarische Maßstäbe gesetzt. Der Erikativ – eine unflektierte Verbform, gebildet durch das Weglassen der Infinitivendung – ist pure Sprachkunst: seufz von seufzen, purzel von purzeln. Puh! Und er ist der Vorläufer der Emojis. RollmitdenAugen. Der Duck’sche Erikativ hat die deutsche Sprache stärker und nachhaltiger verändert als jedes Gendersternchen. Beides gute Entwicklungen. Duck und weg! Dies – und vieles mehr – in der 30. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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    1 hr and 25 mins
  • UGHW: Das Ende ist nah!
    Sep 10 2025
    Der Urlaub hat uns verändert. Wir sind gelassener geworden, tragen jetzt viel Leinen und haben diese coole Lederkette mit der bunt bemalten Muschel um den Hals hängen. Sieht man unter dem Businesshemd zum Glück nicht. Nur am Casual Friday. Wir sagen jetzt Dinge wie „Ich versuche, achtsam zu essen“ und „Ich habe gelernt, loszulassen“. Und wir haben uns vorgenommen, nicht mehr so viele Termine und To-dos zu haben. Das haben wir uns vorsichtshalber als Reminder ins Outlook geschrieben – mit täglicher Deadline. Doch kaum hat man den letzten Sonnenbrand mit Aloe Vera versiegelt, steht Weihnachten vor der Tür. In etwa 100 Tagen ist es so weit. Das heißt: Zwei Drittel des Jahres sind gelebt. Der Winter streckt seine kalten, nassen, windigen Finger nach uns aus. Langsam. Einen nach dem anderen. Als erster, brutaler Vorbote kommen die Lebkuchen in die Regale. Warum nur? Warum?! Man könnte zum militanten Dominosteine-Schmeisser werden. An Munition mangelt es ja nicht. Aber gut – der Markt regelt das. Irgendjemand wird das schon essen wollen. Oder aber die Ankunft der Jahresend-Leckereien ist einzig dafür da, dass man empörte Posts absetzen kann. Dann rennen wir in den Supermarkt und kaufen Sangria-Tetrapacks. Aus Protest! Das ist umgekehrte Psychologie. Der Einzelhandel arbeitet mit allen Tricks. Aber warum gibt es Adventskalender im Oktober? Fast jedes Produkt hat ein Ablaufdatum. Danach soll man es nicht mehr bedenkenlos essen können. Nur Adventskalender haben einen festen Verzehrbeginn. DAVOR kann man sie nicht bedenkenlos essen. Alles diesseits des 1. Dezember reißt ein Loch ins Raum-Zeit-Kontinuum. Und ja, wir stehen vor der grausamen Dreifaltigkeit des Feierns. Den Anfang macht das Oktoberfest. Billige süddeutsche Landhausmode von Ruhrgebiet bis Waterkant. Der Gewerbeverein lädt zum 4. Traditionellen Mindener Oktoberfest! Das haut rein. Derart geschwächt erwartet einen Halloween. Nachlässig verkleidete Kinder betteln unter Androhung von Umgemacht um Zuckerzeug für sich selbst. Sie sagen auch nichts auf oder bieten etwas dar. Noch nicht einmal in Reel-Länge. Halloween verhält sich zu den Sternsingern wie Wario zu Mario. Eigentlich dient das Fest dem Vertreiben böser Geister. Dabei erscheinen diese kleinen Nervensägen doch nur zu genau diesem Anlass. Ein gruseliges perpetuum mobile. Das Zwischentief „Karnevalsbeginn“ ist zum Glück ein regionales Phänomen. Dem kann man entkommen. Und dann geht es schon bald auf den Weihnachtsmarkt. Entschuldigung – zum Wintermarkt. Heißer Rotwein, über Tage den Alkohol rausgekocht, dafür Gewürzmischung, Zucker und Kopfschmerz rein. Da das alles auch aus dem Tetrapack kommt, finden die Restanten des sommerlichen Sangria hier ihre späte Verwendung. Und das vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Die Jahresuhr der Getränkeindustrie. Apropos Rotwein: 1913 schrieb Hermann Hesse in sein Tagebuch über seinen Aufenthalt im fernen Kandy/Sri Lanka: „Seit einigen Tagen lebe ich von Rotwein und Opium, und mein Darm muß eine rasende Lebenskraft oder einen verzweifelten Todesmut besitzen, daß er trotz allem noch nicht Ruhe gibt.“ Je nach individueller Tagesgestaltung klingt das nach Urlaub, Oktoberfest oder Weihnachtsmarkt. Dies – und vieles mehr – in der 29. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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    40 mins
  • UGHW: Gegen Fernweh hilft Heimweh
    Sep 3 2025
    Am 5. Juli 1841 war es endlich so weit: Der britische Baptistenprediger und Freizeitvisionär Thomas Cook organisierte die erste Pauschalreise der Welt. Ziel: Loughborough – immerhin 16 Kilometer vom Ausgangspunkt Leicester entfernt. Die Mitreisenden waren Mitglieder der Temperenzler-Bewegung, also Menschen, die Alkohol für Teufelszeug hielten. Cook dachte sich: „Wenn schon kein Gin, dann wenigstens Blaskapelle und alkoholfreier Tee.“ Und zack – das Rundum-sorglos-Paket war geboren. Später eröffnete Cook das erste Reisebüro und bot sogar Weltreisen an. Auch in Deutschland wollte eine Nische gefunden werden. Der clevere Herr Rominger eröffnete 1842 in Stuttgart das erste deutsche Reisebüro. Im Angebot: One-Way-Tickets nach Amerika – Rückfahrt unerwünscht, denn die Kundschaft wollte auswandern. Bezahlt wurde nicht nur mit Geld, sondern auch mit Ziegen, Kühen oder ganzen Weingärten. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging’s dann richtig los: Erst Italien, dann Spanien, Türkei und die ganze Welt. Von Wegen „Ich war noch niemals in New York“!. Der Düsenjet machte Reisen dann so billig, dass man sich plötzlich auch als Normalsterblicher zwischen Olivenhainen und Sangria-Eimern wiederfand. Mallorca wurde erst zur „Putzfraueninsel“, dann zum 17. Bundesland. Doch die Reiselust hat Nebenwirkungen: Overtourism. Städte wie Dubrovnik, Santorini oder Venedig reagieren inzwischen mit Eintrittsgeldern, Besucherlimits und dem gelegentlichen Einsatz von Wasserwerfern gegen Selfie-Sticks. Dabei könnten sie sich in Sachen Duldsamkeit eine Scheibe von Hallstatt abschneiden – dem österreichischen Idyll mit 750 Einwohnern und über 1 Million Touristen jährlich. Das sind 1.300 Besucher pro Hallstädter Kopf. Da wird’s eng in der heimischen Stube. Rein statistisch. Aber es gibt Hoffnung: In Luoyangzhen, China, wurde Hallstatt einfach eins zu eins nachgebaut – inklusive Bergsee. Ein voller Erfolg. Anfragen für den Nachbau von Ludwigshafen, Bitterfeld und Neumünster sollen angeblich laufen. Chinesen sind leidensfähig. Inzwischen ist ja sogar Island überlaufen! Stundenlang stehen Touristen Schlange, um endlich ihr Instapic von Einsamkeit und unberührter Natur absetzen zu können. Das nervt. Daher suchen immer mehr Menschen im Urlaub die Abgeschiedenheit. Willkommen beim Trend: Solo Travelling - Selbstfindung und Selbstbestimmung. Allerdings muss man dann bei der Wahl der Destination Abstriche machen oder sehr lange fahren. Egal, Hauptsache weit weg. Denn das Schlimmste, was Deutschen im Ausland passieren kann, ist andere Deutsche zu treffen. Einfach mal ein fröhliches „Moin“ rüber rufen. Das macht die fix und fertig! Apropos echte Einsamkeit. Die gibt es am Point Nemo mitten im Pazifik. Dieser sogenannte Pol der Unzugänglichkeit liegt am weitesten aller Orte auf diesem Erdenrund von anderen Landmassen entfernt. Bei ihrem gelegentlichen Überflug sind die ISS-Besatzungen die nächsten Menschen. Pole der Unzugänglichkeit werden übrigens mit dem geometrischen Begriff des Euklidischen Abstands berechnet. Reines Klugscheißerwissen. Auch Deutschland hat einen solchen Pol: Bergen in der Lüneburger Heide. Ganze 6,2 Kilometer sind es bis zur nächsten menschlichen Behausung. Weiter geht nicht. Warum Deutschlands Spitzenreiter sich nicht – wie man vermuten könnte – in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg befindet, sondern in Niedersachsen, hat einen guten Grund. Er liegt mitten auf einem Truppenübungsplatz. Und da will man ja nun wirklich nicht von anderen Leuten getroffen werden. Dies – und vieles mehr – in der 28. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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    45 mins
  • UGHW: Age of Empires
    Aug 27 2025
    Den zweiten Teil des Ferienprogramms verbringen wir im ehemaligen Empire. Nicht das von Star Wars, sondern dem British Empire. Zum Glück ist da die Auswahl der Reiseziele recht groß. Denn tatsächlich hatten die Engländer lediglich mit 22 Ländern dieser Erde KEINEN Krieg. Brexit und die Berichterstattung der englischen Boulevardpresse zu Welt- und Europameisterschaften sind da noch nicht eingerechnet. Die größte Ausdehnung hatte das britische Reich unter Königin Victoria. Eine gebürtige Prinzessin von Sachsen-Coburg-Saalfeld, die mit ihrem Mann Albert aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha am liebsten Deutsch sprach. Wahrscheinlich haben sie leicht gesächselt. Was für eine schöne Vorstellung! Die Idee des British Empire war der weltweite Handel. Also eine weltweite Hanse, nur ohne Partnerschaft und mit modernerer Technik. In dem Fall Repetiergewehr und Kriegsschiffe. Seit dieser Zeit ist der Fünf-Uhr-Tee eine gute englische Tradition. Blöd nur, dass auf den Inseln in der kalten Nordsee kein Tee wächst. Die Engländer haben es versucht. Mehrfach. Was will man da machen? Nun ja, man könnte eine Firma gründen, deren Geschäftsmodell gut in die Zeit passt. Gesagt, getan. Die East India Company war ein echtes Kolonialwarengeschäft. Im Angebot vor allem Gewürze, Textilien, Opium, eigene Gesetze und recht robustes Personal. Gut, aber immer noch kein Tee für England. Den gab es in China. Doch die Chinesen zeigten wenig Interesse an den meisten britischen Handelswaren, und Europäer waren nicht wirklich willkommen. Vielleicht lag es daran, dass die Chinesen nicht wie der Rest Asiens oder Afrikas als Kolonie enden wollten. Irgendwie verständlich, aber aus englischer Sicht doof. Nur am bengalischen Opium als Handelsware waren Teile der Gesellschaft interessiert. Rauschgift findet ja eigentlich niemand gut. Außer dem Dealer selbstverständlich. In dem Fall die Briten. To make a long story short: England bekam den heiß ersehnten Tee und Shanghai und Hongkong obendrauf. Die Chinesen im Gegenzug viele Millionen Drogenabhängige. Kanonenbootpolitik nennt man diese Nische des Groß- und Außenhandels. That’s dealmaking, Mr. Trump! 1876 wurde Königin Victoria zur Kaiserin von Indien gekrönt. Man erzählte sich, dass damit ein lang gehegter Wunsch der Inder in Erfüllung ging. Allerdings erzählten sich das nur Briten. Selbstverständlich war die Kaiserin nie vor Ort. Zu weit, zu heiß, zu viele Menschen und kein Termin frei. Wer kennt das nicht. Tatsächlich schaute von allen indischen Kaisern englischer Zunge nur König Georg V. mal vorbei.. Ihm zu Ehren wurde am Hafen das Gateway of India errichtet. Man muss sich das als eine Art Porta Nigra in groß, neu, heile und hässlich vorstellen. Aber ähnlich dem sozialen Wohnungsbau der 1970er Jahre hat man sich im Laufe der Jahre an den Anblick gewöhnt. Wie König Georg das Bauwerk fand, wissen wir nicht. Denn leider weilte der Grundgute bei der Einweihung schon seit fünf Jahren wieder bei seiner Teegesellschaft im beschaulichen London. Aber die dankbaren Inder wollten dieses Monument fremder Macht trotz Abwesenheit des Regenten unbedingt zu Ende bauen. Muss man respektieren. Bis heute ist das Gateway praktisch das einzige Wahrzeichen der 25-Millionen-Metropole. Apropos Wahrzeichen. Sir Thomas Raffles gründete für die East India Company bzw. das Empire einen Handelsposten namens Singapur. Allerdings hinterließ der umtriebige Engländer außer der Statue einer biologisch zweifelhaften Löwen-Fisch-Kombination der Stadt kein Wahrzeichen. Und irgendeine Freiheitsstatue, Eiffelturm oder Elbphilharmonie brauchen die örtlichen T-Shirt-Händler. Also wurde 2010 Marina Bay Sands eröffnet. Das ikonische Hotel mit dem „Schiff“ auf dem Dach prägt die Skyline. Es beherbergt neben dem Hotel, eine Mall, ein Casino und – als Highlight – einen Infinity-Pool. Features, die dem Gateway of India sicherlich auch guttun würden. Dies – und vieles mehr – in der 27. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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    47 mins
  • UGHW: Flieg mit den Gänsen davon
    Aug 20 2025
    Skandinavien hat es geschafft. Und Schweden sowieso. Das Bild unserer nordischen Nachbarn ist unerschütterlich gut. Ein Sehnsuchtsort mit viel Raum. Auch für die eigenen Fantasien. Dabei basiert unser Schwedenbild auf drei tragenden Säulen: Königshaus, Einrichtungshaus und Bullerbü. Die Monarchie ist ja ein eher vorzeitliches Staatskonzept, gegen das man aus recht guten Gründen mal auf die Straße gegangen ist. Die Älteren erinnern sich an Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit. Und ausgerechnet das verbinden wir Deutschen irgendwie mit einem Land, bei dem das Staatsoberhaupt den Job bekommen hat, weil es den Vorgänger von klein auf kennt. Die Skandinavier schaffen es irgendwie, dass ihr Hochadel besonders knuffig rüberkommt. Aber das ist ja ohnehin so, dass wir denen und Dänen so einiges durchgehen lassen, was hierzulande Montagsdemonstrationen in ungeahntem Ausmaß hervorrufen würde. Tempolimit – Ach, herrlich entschleunigt! Steuerbescheid öffentlich ausgehängt – Toll, das stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Stabil hohe Steuern – Da funktioniert der Sozialstaat noch! IKEA wiederum holt uns emotional genauso ab, wie wir deren Möbel. Und die sind noch nicht einmal fertig zusammengebaut. Bei IKEA reicht ein bisschen Hej und ein wenig Duzen und wir glauben, dass wir die heimische Zweiraumwohnung ganz individuell von unserem nordischen Freund haben gestalten lassen. Und das bei 77 Millionen verkauften Billy-Regalen. Das ist so, als würde man das Fahren eines VW Golf als sympathischen Ausdruck von leicht verspielter Individualität betrachten. Und von dem sind nicht einmal die Hälfte der Billyg-Regale zusammengeschraubt worden. Um die Dreifaltigkeit unseres Schwedenbildes vollzumachen, fehlt nur noch sie. Die Säulenheilige der längst nicht mehr so alternativen Kindererziehung. Astrid Lindgren. Schweden ist Bullerbü. Fertig. Auf Schwedisch heißt die Heimat unserer kindlichen Träume Bullerbyn. Das bedeutet Lärmdorf. Humor hatte die Dame. Der Erfolg der Bücher rund um Karlsson, Michel und Pippi basiert natürlich auf der Idee, dass Kinder ihren eigenen Kopf haben. Und das finden auch Eltern toll. Zumindest theoretisch. Bei Licht betrachtet ist Pippi eine Systemsprengerin mit einem gewaltigen Problem im Umgang mit ihren erwachsenen Mitmenschen. „Nicht gemeinschaftsfähig“ wäre der wohl passende Fachterminus. Und auch Michels Geschichten könnten ja viele Sitzungen bei einem Familientherapeuten nach sich ziehen. Das übernimmt sogar die Krankenkasse. „Michel muss mehr Männchen machen“ ist daher eher eine Forderung als eine Feststellung. Aber so ist unser Schwedenbild. Was hier nicht geht, ist da fantastisk. Und das finden die Schweden auch. Die deutschen Beiträge zur Kinderliteratur fallen dagegen etwas ab. Wie Michel und Pippi leben Max und Moritz selbstbestimmt und eher unkonventionell. Aber Leichtigkeit und Witz ersetzen sie durch schlichte Boshaftigkeit, die Pranks sind eher cringe. Und sie wohnen nicht in Schweden. Zudem enden sie als Entenfutter. Sheesh! Ganz einzigartig ist der Struwwelpeter. Finger abschneiden, ertrinken, verbrennen, verhungern. Man will ja gar nicht wissen, was da bei „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, interessieren sich auch für“ erscheint. Wenn man das auf der Bettkante eines Fünfjährigen vorgelesen hat, braucht man erst mal einen Schnaps. Der Vorleser auch. Apropos Schnaps. Alkohol ist in Schweden ein heikles Thema. Trinken in der Öffentlichkeit ist verboten, alles über 3,5 % gibt es nur in staatlichen Monopolläden, den Systembolaget. Und erst ab 20 Jahren. Schon diese kleine Tatsache würde in deutschen Schützenfestregionen zu Teer, Federn und brennenden Fackeln greifen lassen. Ganz anders in Schweden. 500.000 Flaschen Absolut Vodka verlassen jeden Tag das Werk in Åhus. Nur um weltweit Schluck für Schluck ein wenig schwedische Lebensart zu verbreiten. Skål! Dies – und vieles mehr – in der 26. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.
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    40 mins