Wer heute berühmt werden will, muss Influencer sein. Oder Reality-Star. Was in der Praxis bedeutet, dass man in der Realität alles ist – nur eben kein Star. Früher war der Weg zum Ruhm deutlich steiniger. Da brauchte es einen gescheiterten Bauernaufstand, eine gepflegte Seeschlacht oder ausgedehnte Feldzüge in die Nachbarschaft. Denn Denkmäler zeigen nicht immer nur die Guten. Wer sich besonders danebenbenahm, wurde entweder geköpft – oder bekam ein Denkmal. Oder beides. Klaus Störtebeker zum Beispiel: Pirat, Plünderer, Mützenmodell, Robin Hood mit Nordseegeruch. Seine Spezialität: Blutige Raubzüge, aber mit folkloristischem Flair. Nach offiziellen Angaben wurde er in Hamburg hingerichtet. Nach inoffiziellen Angaben lief er kopflos noch an seinen Kumpels vorbei. Und das reicht offenbar für ein jährlich ausverkauftes Festival auf Rügen und eine Statue am Hafen. Wer überzeugend stirbt, bekommt Kulturförderung. Hätte es damals Social Media gegeben – der Mann hätte ein blaues Häkchen und seinen eigenen Kultgetränk. Oder Al Capone: Sympathischer Serienmörder und Boss einer knuffigen Clankriminalität mit 20er-Jahre-Charme. Bis heute spielt er in mehr Filmen mit als Til Schweiger. Naja, jede Medaille hat zwei Seiten. Und dann Fritz Haarmann: vor 100 Jahren brachte er in Hannover über 20 junge Männer um. Klarer Fall – ab auf den offiziellen Adventskalender der Stadt! Einerseits ein Skandal, andererseits: Was soll Hannover machen? Immer nur die Scorpions und Ursula von der Leyen – das reicht eben nicht für 24 Türchen voller Spannung, Spaß und Gänsehaut. Apropos schräge Stadtgeschichte. Bremen hat Gesche Gottfried – im Volksmund zärtlich „Engel von Bremen“ genannt. Das verwundert, denn sie hat 15 Familienmitglieder umgebracht – sozusagen entfernte Verwandte. Bis heute erinnert ein Spuckstein am Dom an den Moment, in dem sie selbst unter den Augen von 35.000 Tausend Schaulustigen den Weg alles Vergänglichen ging. Aber wo soll man in Bremen auch sonst hin, wenn kein Freimarkt ist, Werder nicht spielt und Kinderwochenende ist. Die Bremer kommentieren die Lebensleistung von Gesche bis heute mit hanseatisch-rotziger Lässigkeit. Ihrem Nachruhm hat’s nicht geschadet: 5 Filme, 3 Theaterstücke, 3 Hörspiele, 2 Songs und eine Oper sind ihr gewidmet. Trotzdem ist Temptation Island kein guter Weg zum Ruhm. Dies – und vieles mehr – in der 12. Folge von: „Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast“.
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